Zündung: Forscher feiern Erfolg in Kernfusionsexperiment

Wissenschaftler der National Ignition Facility (NIF) melden bei der Laserfusion einen Durchbruch in der angestrebten Erzeugung von Strom durch Kernfusion.

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(Bild: John Jett, LLNL)

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In Livermore, Kalifornien, versuchen Forscher seit 2009, ein winziges Stückchen Sonne auf Erden zu erschaffen. Sicher und kontrolliert, nutzbar als saubere, nahezu unerschöpfliche Energiequelle. Sie verwenden dazu den größten Laser der Welt: 192 Strahlen transportieren innerhalb von 15 Nanosekunden eine Energie von mehreren Megajoule von allen Seiten auf ein nur wenige Millimeter großes Ziel. Die geballte Energie erzeugt an der Innenseite eines mit Gold bedampften Metallzylinders – dem „Hohlraum“ – Röntgenstrahlung, die ein Kügelchen zur Implosion bringt, das mit gefrorenem schwerem Wasserstoff gefüllt ist.

Die Druckwelle der Implosion soll dafür sorgen, dass der Wasserstoff 50 bis 100 Millionen Kelvin heiß und dabei so stark komprimiert wird, dass er hundertmal dichter wird als Blei. Unter diesen Bedingungen, so hatten Berechnungen ergeben, müssten die Wasserstoffkerne zu Helium verschmelzen und dabei ein Vielfaches der Energie wieder freigeben, die man vorher in die Zündung investiert hatte. Hätte, müsste, könnte. Aber all die geballte Energie, die gebündelte Kompetenz militärischer und ziviler Forschung und eine beträchtliche Menge Geldes hatten bislang nicht geholfen.

Nun aber melden die Fusionsforscher erstmals einen Durchbruch: Am 8. August ist es ihnen gelungen, bei einem Schuss 13,9 Megajoule Energie zu erzeugen – das sind rund 70 Prozent der Energie, die sie vorher hineingesteckt hatten. Das lässt vermuten, dass bei dem Experiment tatsächlich eine sich – zumindest kurzfristig – selbst erhaltende Fusionsreaktion erzeugt wurde. Mit den Experimenten, die zum Teil auch zur „Qualitätssicherung“ von Atomwaffen dienen, wollen die NIF-Forscher weiterhin zeigen, dass die Laserfusion sich eignet, um ein kommerzielles Fusionskraftwerk zu bauen.

Normalerweise würden die Forscher am NIF ihre Ergebnisse sorgfältig prüfen, um dann ein Paper zu veröffentlichen, zitiert die New York Times Mark Herrmann, den stellvertretenden Direktor des Forschungsprogramms für „fundamental weapons physics“ am Lawrence Livermore National Laboratory, an dem sich auch die NIF befindet. „Aber diese Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer.“ Die große Aufregung dürfte nicht unwesentlich damit zu tun haben, dass die bisherigen Experimente so lange erfolglos geblieben sind.

Denn die NIF-Forscher hatten hauptsächlich mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen: Zum einen gelang es ihnen nicht, so viel von der Laserenergie in das Plasma einzukoppeln, wie in den Simulationen berechnet. Vor allem aber hatten sie mit Instabilitäten zu kämpfen: Schon kleinste Unregelmäßigkeiten in der Geometrie des Brennstoffkügelchens führen dazu, dass das brennende Plasma zu schnell auseinanderfliegt.

In einem Science-Artikel werden nun mehre Faktoren aufgelistet, die zu dem Erfolg geführt haben könnten: Unter anderem wurden mikroskopisch kleine Unebenheiten am Target beseitigt, das Loch zum Einfüllen des Brennstoffs verkleinert und der Laserpuls verlängert. Welche dieser Maßnahmen den Erfolg gebracht hat, müssen die Forscher nun jedoch erst herausfinden.

Markus Roth von der TU Darmstadt, der am Bau des bei dem Experiment verwendeten Lasers mitgearbeitet hat, hält das Experiment jedoch auf jeden Fall für einen „Meilenstein in der Fusionsforschung mit Lasern“, der die weitere Forschung zur Nutzung der Fusion zur Energiegewinnung stark beflügeln werde.

Die Fusionsforschung an der TU Darmstadt arbeitet seit vielen Jahren auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Fusion mit dem Lawrence Livermore National Laboratory zusammen. Dabei verfolgt die TU Darmstadt das Prinzip des „direct-drive“, bei dem die Kapsel direkt von Laserstrahlen getrieben wird – und nicht in einem Hohlraum liegt. Zudem setzen die Darmstädter Forscher auf das Verfahren der „schnellen Zündung“, bei dem sehr steil ansteigende, kurze Laserpulse verwendet werden. Das soll auch mit kleineren Laseranlagen funktionieren.

Doch auch private Unternehmen arbeiten an der Entwicklung von Laserfusions-Kraftwerken: Das Münchener Startup Marvel Fusion will bis in zehn Jahren einen entsprechenden Demonstrator bauen. Dabei geht das Unternehmen auch noch einen besonders schwierigen Pfad zur Fusion: Statt schweren Wasserstoff in Form von Deuterium und Tritium, wollen die Münchener Protonen und Bor verschmelzen. Um solch eine Fusion zu zünden, braucht es noch zehnmal höhere Temperaturen als für die Deuterium-Tritium-Fusion.

(wst)